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„Plötzlich ist nichts mehr wichtig – außer hier im Moment zu sein“

Im Mai 2020 feierte das stationäre Hospiz „Lebensweg“ in Stormarn Eröffnung. Die Sparkasse Holstein sprach mit dessen Gründerin Sabine Tiedtke über die Erfüllung ihres großen Traums und den letzten Abschnitt vom Lebensweg.

Der Tod macht vielen Menschen Angst. Was interessiert Sie an dem Thema?

In meiner Zeit als Krankenschwester hatte ich den Eindruck, dass sich nicht immer genug um die Menschen gekümmert wird, die von der Medizin nicht geheilt werden können. Mir war schnell klar: das möchte ich ändern! Alles hat so viel Tiefe und Bedeutung, wenn man Menschen begleitet, die kurz vor ihrem Tod stehen. Da ist es egal, was der Mensch, der im Bett liegt, früher einmal für eine Position oder einen Beruf hatte. Plötzlich ist nichts mehr wichtig – außer hier im Moment zu sein. 

Können Sie sich noch an den Moment erinnern, an dem Sie den Entschluss gefasst haben, ein Hospiz zu gründen?

Ja, ganz genau! Das war im Oktober 2009, als ich meine Weiterbildung zur Pflegedienstleiterin absolviert habe. Wir sollten ein fiktives Unternehmen gründen – es dauerte nur eine Minute, da wusste ich, dass ich nur Krankenschwester geworden bin, um in diesem Leben ein Hospiz zu gründen. Es war sofort alles da: Dass ich die Sparkasse Holstein als Partner gewinnen möchte, dass Detlev Buck Schirmherr werden soll und dass ich gemeinsam mit vielen Menschen aus Stormarn unser Hospiz für den Kreis schaffen möchte. Ich habe heute noch die Unterlagen aus der Zeit.

Heute ist das Hospiz Lebensweg fest mit der Sparkasse Holstein und ihren Stiftungen verbunden.

(Lacht) Genau wie ich! Vor meiner Zeit als Krankenschwester habe ich nämlich ab 1980 bei der Sparkasse Holstein meine erste Ausbildung absolviert und in diesem Zuge auch meinen Mann kennengelernt. Mein damaliger Chef ist heute Geschäftsführer der Stiftungen der Sparkasse Holstein. Deshalb habe ich mich zu Beginn meines Vorhabens auch sofort an ihn gewandt. Es war großartig, als sich die Sparkasse Holstein und ihre Stiftungen entschieden haben, meine Idee mit einer eigenen Stiftung zu unterstützen.

Das stationäre Hospiz Lebensweg ist ein besonderer Ort. Welches Konzept wird hier umgesetzt?

Die erste Besonderheit bekommen Sie gerade live mit. Wir sitzen hier in der Küche neben der sogenannten Dorfmitte und lauschen der Hausmusik von zwei unserer Mitarbeiterinnen [Bratschen- und Gitarrenklänge erfüllen den Raum]. Das war immer mein Traum: Ein bunt belebtes Zentrum, wo man einander begegnen kann. Einmal am Tag wird hier ein Kuchen gebacken, damit der Duft die Räume erfüllt. Weiter hinten sind unsere schönen Gästezimmer, die Ruhe und Privatsphäre bieten. Und draußen auf der Wiese leben seit Juni unsere drei Alpaka-Wallache Cremchen, Bernd und Enjo. Leider können wir unsere vielen Ehrenamtlichen wegen Corona nur eingeschränkt einbinden. Trotzdem sollen auch die Nähe, der Austausch und das Weitertragen der Idee Teil unseres Konzepts sein.

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Die drei Alpaka-Wallache Cremchen, Bernd und Enjo leben auf dem Hospizgelände.

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Als ehemalige Reiterin kennt Sabine Tiedtke den vorsichtigen Umgang mit Distanztieren.

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Einer der vielen Lieblingsplätze von Sabine Tiedtke: die kleine Bank neben dem Hospizgebäude.

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Das stationäre Hospiz Lebensweg steht in Bad Oldesloe.

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Meisenknödel und ein Häuschen – damit die Gäste aus ihren Zimmern Vögel beobachten können.

Im Mai 2020 feierte das Hospiz Eröffnung. Was ist ihre bisher schönste Erinnerung?

Obwohl ich eigentlich nur selten Zeit habe, unsere Gäste persönlich zu begrüßen, gab es vor einigen Wochen einen Abend, an dem mir irgendetwas sagte, dass ich noch einmal in ein bestimmtes Zimmer schauen soll. Es war genau der richtige Moment. Denn als ich die Tür öffnete, sah mich die Ehefrau unseres Gastes mit großen Augen an und fragte: „Stirbt mein Mann jetzt?“ – tatsächlich hatte der Gast gerade seinen letzten Atemzug getan. Wir öffneten dann gemeinsam die Fenster, sie erzählte noch lange von ihrem Mann und ich war einfach da. Ich bin dankbar, dass ich diesen schönen Moment mit der Dame erleben durfte.

Haben Sie eigentlich einen Lieblingsort, hier im Hospiz?

Ich sitze gerne in unserer Dorfmitte und bin Teil des großen Ganzen, aber auch die kleine Holzbank neben unserem Hospiz ist ein wunderbarer Ort für ruhige Mittagspäuschen. Natürlich gefallen mir auch mein Büro und die Zimmer unserer Gäste ... (Denkt nach) im Grunde ist der ganze Lebensweg mein Lieblingsort (lacht).