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“Verstehst du, was du siehst?“

Die Künstlerin und Kunststipendiatin Despoina Pagiota im Gespräch über ihre Arbeit und ihre Zeit in Trittau.

Foto: Hayo Heye

Despoina Pagiota ist die 31. Stipendiatin des Kunststipendiums in der Trittauer Wassermühle, das von der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn vergeben wird. Noch bis zum 14. Mai 2023 ist ihre Ausstellung „Framed“ zu sehen.

Wir haben mit ihr über ihre Zeit in Trittau, ihr künstlerisches Schaffen und ihre Pläne gesprochen.

 

Seit Mai 2022 lebst und arbeitest Du nun in Trittau. Wie sieht Dein Alltag hier aus und was bedeutet das Stipendium für Dich und Deine Arbeit als Künstlerin?

Mein Alltag hat sich total verändert. Hier arbeitet man ohne Stress; man wohnt hier, man arbeitet hier, man ist in der Natur, ist weit weg von der Großstadt. Das hat mir richtig viel geholfen. Auch die finanzielle Unterstützung ist wichtig und das Wissen, dass die Stiftung hinter mir steht und mich und meine Arbeit unterstützt. Ich konnte freier und intensiver arbeiten, weil ich wusste, dass ich ein Ziel habe und in einem Jahr das Projekt beenden wollte. Besonders die Strukturierung und Planung der Abschlussausstellung weit im Voraus hat einen Rahmen geschaffen, der die freie künstlerische Arbeit erleichtert hat.

Wie war das vor Deiner Zeit hier als Du in Hamburg gewohnt hast?

Mein Atelier in Hamburg war ungefähr zehn Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Ich war die ganze Zeit unterwegs, habe viel gearbeitet, um Geld zu verdienen. Nebenbei habe ich an kleineren Projekten und Ausstellungen gearbeitet. Hier in Trittau konnte ich mich viel intensiver mit meiner Kunst beschäftigen.

Wie kam es zu dem Titel der Abschlussausstellung Framed und wie hat sich das Konzept dafür entwickelt?

Ich arbeite schon seit 2020 mit Werbeplakaten. Irgendwann ist mir aufgefallen, dass viele Werbeflächen leer stehen und unbenutzt sind. Nicht nur hier in der Region, sondern in ganz Deutschland, in Griechenland und anderen Ländern. Es kostet viel Geld, die Flächen zu entfernen, daher stehen sie da wie Geister. In Griechenland gab es sogar eine Gesetzesänderung, dass an den Autobahnen keine Werbeplakate mehr erlaubt sind. So bleiben die Flächen einfach ungenutzt und verlieren ihren Zweck.

Stand das Ausstellungskonzept als Idee denn schon fest, als Du Dich für das Stipendium beworben hast?

Nein, ich wollte nur weg von der Stadt und hatte die Idee, Künstler:innenbücher zu machen. Mein Plan war es, in Ruhe meine Arbeiten zu definieren und ich war auf der Suche nach etwas Neuem.

Hat Dich die Ruhe in Trittau inspiriert? Es kann ja auch schwierig sein, wenn zu wenig Input da ist.

Davor hatte ich anfangs auch Angst, aber die Ruhe war überhaupt kein Problem. Im Gegenteil: Ich hatte mehr Platz, mehr Zeit, mehr Ruhe, um konkreter zu arbeiten und neue Ideen zu finden. In Hamburg habe ich mir das Atelier mit zwei anderen Künstlern geteilt. Und auch wenn mir hier mal langweilig war, ist daraus etwas neues künstlerisches entstanden.

Wie kommst Du eigentlich an Dein Material?

Ich habe angefangen, Plakate zu sammeln, als es diesen Sturm gab, im Februar 2020, auch in Großbritannien. Es hat richtig viel geregnet und war sehr windig. Es gab Stellen in der Nähe von meinem Atelier, in einem Industriegebiet, wo die Plakate immer auf dem Boden liegen. Ich musste sie nur noch einsammeln.

Steckt da auch ein grundlegender Verwertungsgedanke dahinter, dass Du Material verwendest, das irgendwie keine Chance hatte oder etwas präsentiert hätte, das Dir missfällt?

Mich inspiriert das Material vor allem, weil ich es entdecken kann. Meist sind viele Lagen zusammengeklebt, ich befeuchte sie und löse sie voneinander. Was ich dann finde, ist immer eine Überraschung. Natürlich spielt auch die Wiederverwertung eine Rolle. Die Plakate haben oft schöne Farben und ich kann sie ganz umsonst verwenden.

Inwiefern ist die Verwendung von Plakaten auch Kulturkritik?

Wir sind die ganze Zeit mit Werbebotschaften konfrontiert und es geht um die Frage: Verstehst du, was du siehst? Was will diese Werbung von dir? Ich nehme diese Botschaft und manipuliere sie. Ich ändere ihre Nachricht. Ich gebe ihr eine neue Bedeutung und einen neuen Rahmen.

Hast Du wegen des fixen Ausstellungstermins schon zu Beginn Deiner Zeit hier Leistungsdruck verspürt?

Ja, aber ich habe versucht, mich davon frei zu machen und die Zeit zu genießen, weil ich mit Druck nicht arbeiten kann. Nach dem ersten Monat habe ich meine Routine und Rituale gefunden und nach ein paar weiteren Monaten habe ich mich entspannt, weil ich festgestellt habe, wie viele Arbeiten schon entstanden sind und wie viele Ideen ich noch hatte.

Es sind dann auch viel mehr Werke entstanden, als Du ausgestellt hast. Wie hast Du die Auswahl getroffen?

Ich wollte im Atelierhaus eine Installation machen mit Tapeten. Das war von Anfang an klar. In der Wassermühle war es ein bisschen schwieriger, weil die Räume kleiner sind und es viele Fenster gibt. Die Idee war, dass es einen Tisch gibt mit den Büchern, die ich gemacht habe und man sich Zeit nimmt in diesem kleinen Raum. Ich wollte so etwas wie ein Büro haben, wo man in den Büchern blättern kann. Außerdem gibt es zwei Gruppen von Arbeiten: einerseits Rahmen mit geraden Linien und dann diese Bordüren und Jugendstil-Rahmen. Die wollte ich räumlich trennen.

Hast Du Wünsche, was die Besucher Deiner Ausstellung sehen oder mitnehmen sollen oder kannst Du sie dem Betrachter überlassen?

Ich wünsche mir, dass die Besucher alleine die Ausstellung anschauen. Wenn man zusammen mit jemandem ist, ist man abgelenkt. Es gibt einen Dialog, wenn auch nur gedanklich und wenn man alleine ist, ist die Erfahrung eine andere. Bücher zum Bespiel liest man alleine und das möchte ich auch für meine Bilder.

Ende April geht Deine Zeit in Trittau zu Ende. Was folgt für Dich im Anschluss?

Ich ziehe zurück in mein altes Atelier in Hamburg und bereite dann ein Projekt mit einer anderen Künstlerin vor.

Wirst Du Dich weiter mit Plakaten als Material arbeiten?

Ja, das ist für mich noch nicht abgeschlossen. Ich will weiter an ein paar Serien arbeiten. Ich arbeite aber auch mit vielen anderen Materialien wie zum Beispiel Jeansstoff, Mülltüten, Schleifpapier. Das will ich auch weiterhin tun.

Die Ausstellung läuft noch bis 14. Mai. Was geschieht danach mit Deinen Werken?

Wir haben ein großes Lager in unserem Atelier. Dahin kommen die Bilder. Bei älteren Bildern, die ich nicht mehr mag oder ausstellen will, verwende ich die Leinwände für neue Arbeiten.

Was würdest Du Dir für die Kunstszene in Stormarn oder ganz allgemein wünschen?

Dass mehr Besucherinnen und Besucher in die Ausstellungen kommen. Es könnte mehr Vernetzung mit anderen Einrichtungen oder Läden vor Ort geben und interdisziplinäre Events. Zuerst eine Lesung in der Buchhandlung, dann ein gemeinsamer Ausstellungsbesuch mit Führung oder Workshop. Ich finde es super, dass Schulen hierher kommen und im Künstleratelier arbeiten. Ich war einmal dabei und fand es richtig toll.

Ganz herzlichen Dank für das Gespräch! Ein Event haben wir ja noch vor uns mit der Katalogveröffentlichung am 13. Mai 2023 und dem Künstlerinnengespräch.

Darauf freue ich mich sehr. Vielen Dank ebenfalls.

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Galerieansichten... (Fotos von Jens Franke)

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